Texte
Mein bewegtes Leben
·
Yvonne aus Hoorn
Ich
stehe
an
der
Hafenkante
und
schau
auf
die
leise
vor
sich
hin
dümpelnden
Boote.
Es
ist
dämmerig
geworden
und
der
leise
Seewind
bewegt
kaum
die
Wasseroberfläche.
Ich
muss
tief
Luft
holen.
Die
Erlebnisse der letzten Stunde in der Hafenkneipe, und nicht zuletzt der Rotwein, gehen mir im Kopf herum.
Etwas
entfernt
im
Päckchen
der
Gastboote
an
fünfter
Stelle
liegt
die
„Windflower“,
mit
der
wir
heute
bei
wunderbarem
Segelwetter
hier
ankamen.
Ich
denke
an
den
alten
Schlager
„Blaue
Nacht,
o
blaue
Nacht
im
Hafen“.
Meine
Crew-Kameraden
hocken
noch
an
der
Theke
der
Hafenkneipe
und
trinken
Bier,
ich
denke
an
die
faszinierende
Frau
mit
den
roten
Haaren
und
ihre
Geschichte.
Sie
lässt
mich
nicht
los.
Was
war
das
für
eine
phantastische
Atmosphäre,
die
sich
um
sie
verbreitete?
Aber
wo
ist
die
Frau
geblieben?
Sie
verschwand
plötzlich.
Jemand tippt an meine Schulter, erschrocken drehe ich mich um.
Sie
steht
vor
mir,
kein
Traum.
Das
feurige
rote
Haar
bewegt
sich
leicht
im
Abendwind,
aus
tiefen
Seen
schauen
mich
grüne
Augen
an.
Ihr
Duft
ist
betörend.
Ihre
Lippen
berühren
meine
Wange,
ziehen
weiter
in
Richtung meiner Lippen, immer näher, unsere Lippen berühren sich.
Ich
würde
für
nichts,
aber
auch
gar
nichts
auf
der
Welt
diesen
Augenblick
tauschen
oder
missen
wollen.
Wir
küssen uns. Lange, intensiv, ganz behutsam.
Ich
habe
nicht
viel
Zeit,
um
über
die
Situation
nachzudenken,
denn
sanft
aber
bestimmt
löst
sie
sich
von
mir.
Vor
meinen
Augen
sehe
ich
ihre
aquamarinblaue
Brosche,
ich
starre
sie
an.
Sie
sieht
meinen
Blick
und
schaut
mich
an.
“Möchtest
Du
ihre
Geschichte
wissen?“
Ich
spüre
ihre
Traurigkeit;
ein
Glitzern
auf
ihren
Wangen.
Kleine
Perlen
huschen
hinab,
wollen
nicht
gesehen
werden
–
ich
beuge
mich
vor
und
streiche
ihr
die
Träne
von der Wange. Sie flüstert „Wenn Du es wirklich hören willst, dann komm und begleite mich!“
Ich
gehe
mit
ihr.
Sanftes
Licht
erhellt
die
kleine
Gasse.
Langsam
gehen
wir
die
Straße
hinunter,
schweigend.
Bei
jedem
Schritt
wird
mir
klarer,
dass
ich
wissen
möchte,
was
sich
hinter
all
dem
verbirgt.
Ein
paar
Worte,
sanft
und
doch
traurig,
sagen,
was
nicht
gesprochen
werden
will.
Einige
Sekunden
noch
hängen
die
Silben
in
der
lauen
Abendluft
bis
sie
verklingen.
Plötzlich
wird
mir
bewusst,
wie
sehr
ich
ihre
Gegenwart
genieße,
schon den ganzen Abend lang genossen hatte.
Sie lehnt sich näher an mich und ich genieße ihre Nähe.............
Wir
sind
da.
Ein
kleines
Haus.
Sie
öffnet
die
Tür
und
lässt
mich
eintreten.
Sofort
umgibt
mich
das
Flair
des
holländischen
Ambiente.
Behaglichkeit.
Nur
kleine
Lichtquellen
aus
Stehlampen
hüllen
die
Wohnung
in
warmes, intimes Licht.
Sie
nimmt
mich
mit
auf
eine
steile
Treppe
und
öffnet
eine
Zimmertür.
Wir
schauen
in
ein
kleines
Schlafzimmer.
Ein
etwa
14-jähriger
blonder
Junge
schläft
in
seinem
Bett.
Sein
sympathisches
Gesicht
ist
voller Sommersprossen. Ich werde zurück gezogen und sie sagt: “Psst, wir wollen ihn nicht wecken.“
Im
Wohnzimmer
setzen
wir
uns
an
den
Esstisch.
Sie
stellt
eine
Flasche
Rotwein
auf
den
Tisch.
Daneben
einen Korkenzieher. Während sie Gläser holt, öffne ich die Flasche und schenke ein.
Yvonne
lehnt
sich
in
dem
Sessel,
auf
dem
sie
Platz
genommen
hat,
zurück.
Bei
dieser
Beleuchtung
ist
sie
nur
als
dunkle
Silhouette
wahrnehmbar.
Wir
trinken
von
dem
Rotwein
und
sie
beginnt
zu
erzählen,
wie
vorher
in
der Hafenkneipe.
„Meine
Geschichte
hat
noch
niemand
gehört.
Nur
meine
Schwester
kennt
sie.
Ich
weiß
nicht
genau,
warum
ich es Dir erzähle. Aber es ist ein Gefühl in mir, und ich richte mich nur nach Gefühlen.
Mit
siebzehn
Jahren
lernte
ich
einen
jungen
Mann
kennen.
Klaas,
er
war
schon
über
zwanzig
und
er
zeigte
mir
die
Liebe.
Ich
liebte
ihn
über
alles.
Ich
wäre
mit
ihm
überall
hin
gegangen.
Wir
lebten
in
einer
eigenen
Welt,
und
für
mich
war
es
der
Himmel.
Ich
wurde
schwanger.
Er
sagte,
er
freue
sich.
Aber
um
uns
und
unserem
Kind
eine
gute
Lebensgrundlage
zu
geben,
müsse
er
gehen.
Er
hätte
eine
gute
Chance
in
Südafrika.
Er
wolle
gehen
und
alles
vorbereiten,
ich
sollte
dann
nachkommen,
wenn
er
eine
Lebensgrundlage
für
eine
kleine
Familie
geschaffen
hätte.
Zum
Abschied
gab
er
mir
diese
aquamarinblaue
Brosche.
Er
sagte,
sie
wäre
von seiner Mutter und sollte immer ein Zeichen für unsere Liebe und unsere Treue sein.
Ich
war
zwar
traurig,
sah
aber
die
Notwendigkeit
ein.
Er
flog
nach
Südafrika.
Ich
war
allein,
aber
ich
freute
mich unbändig auf unser neues Leben.
Es
dauerte
länger
als
erwartet
und
ich
bekam
meinen
Jan.
Meine
Schwester
war
bei
mir
und
hat
mir
geholfen
und
mich
unterstützt.
Ich
bekam
nur
eine
Karte
von
Klaas.
Meine
Sehnsucht
nach
Klaas
war
riesengroß.
Ich
konnte
mir
nicht
vorstellen,
warum
es
so
lange
dauerte
und
warum
ich
so
wenig
von
ihm
hörte.
Ich
schob
es
auf
Schwierigkeiten,
die
er
nicht
bewältigen
konnte.
Meine
Geduld
wurde
auf
eine
harte
Probe
gestellt.
Jan
wurde ein Jahr, und ich hörte nichts mehr von Klaas.
Ich
war
unglücklich
und
wollte
nicht
mehr
leben.
Ich
lebte
nur
für
Jan;
er
war
ein
wunderbarer
Junge.
Ich
lebte
mit
ihm
im
Haus
meiner
Schwester
und
hatte
einen
kleinen
Job
angenommen,
damit
wir
überleben
konnten.
Darüber
hinaus
sparte
ich
jeden
Cent.
Als
Jan
etwa
sechs
Jahre
alt
war,
buchte
ich
einen
Flug
nach
Südafrika.
Vorher
hatte
ich
in
dem
Heimatdorf
von
Klaas
einige
Erkundigungen
angestellt.
Ich
hatte
eine
Adresse.
In
Johannesburg
gelandet,
mietete
ich
mir
einen
Geländewagen.
Kurz
und
gut,
etwas
irritiert
setzte
ich
mich
ans Lenkrad, das in südafrikanischen Wagen eher unpraktisch vor dem Beifahrersitz angebracht ist.
Es
war
im
August,
also
im
südlichen
Hochwinter,
aber
warm
genug,
dass
ich
die
Fenster
herunter
kurbelte.
Eine
herrliche
Landschaft
zwischen
Atlantik
und
Indischem
Ozean
zog
auf
dem
Weg
an
mir
vorbei.
Nach
zwei
Stunden
Fahrt
sah
ich
ein
großes
gepflegtes
Anwesen
vor
mir.
Es
war
von
einem
hohen
Zaun
umgeben.
Ich
fuhr
bis
ans
Tor.
Dort
arbeitete
ein
schwarzer
Mann
mit
einem
großen
Hut.
Auf
meine
Frage,
wer
hier
wohnt, nannte er Klaas’ Namen. Er sei sein Herr.
Ich
wollte,
dass
er
mir
das
Tor
öffnete
und
ich
zum
Wohnhaus
fahren
konnte.
Das
dürfe
er
nicht,
da
sein
Herr
nicht
zu
Hause
sei.
Ich
wollte
wissen,
wo
er
sei.
Da
sagte
er
mir,
dass
er
mit
seiner
Frau
und
seinem
Jungen
in die Stadt gefahren wäre und erst gegen Abend wieder käme.
Ich
war
völlig
niedergeschlagen.
Jeder
Muskel
meines
Körpers
war
angespannt
und
ich
zitterte.
Ob
vor
Wut
oder Enttäuschung, weiß ich nicht mehr.
Ich
wartete
mehrere
Stunden
im
Auto,
bis
sich
ein
moderner
neuer
Geländewagen
der
Einfahrt
näherte.
Ich
stellte
mich
mit
meinem
Auto
quer
vor
die
Einfahrt.
Als
der
Wagen
heran
war,
sprang
jemand
heraus
und
lief
wütend
auf
mich
zu.
Es
war
Klaas.
Er
sah
unglaublich
gut
aus
und
mein
Herz
schlug
bis
zum
Hals.
Er
war
breiter und männlicher geworden, und er strotzte vor Selbstbewusstsein.
Ich
stieg
aus
und
wir
standen
uns
gegenüber.
Er
war
blass
geworden
und
sah
mich
an,
als
ob
er
ein
Gespenst
sähe.
Ich
hielt
ihm
die
aquamarinblaue
Brosche
entgegen
und
er
wollte
sie
mir
entreißen
Er
sagte:
“Gib
sie
mir,
sie
ist
von
meiner
Mutter“.
Inzwischen
waren
die
Frau
und
der
Junge
aus
dem
Wagen
gestiegen
und
fragten
Klaas,
was
los
sei.
Es
war
eine
schöne
junge
Frau
in
aufrechter
Haltung
mit
einem
etwa
5-jährigen
hübschen
Jungen
an
der
Hand.
Klaas
hatte
sich
gefasst
und
sagte:
“Liebes,
setz
Dich
wieder
in
den
Wagen,
ich habe das hier gleich geklärt.“
Ich
sagte:
„Nein,
bitte
bleiben
Sie
hier,
Sie
geht
es
auch
an.
Ich
bin
hier,
um
Dich
und
deine
Familie
zu
verfluchen
für
das,
was
Du
mir
und
unserem
Sohn
Jan
angetan
hast.
Du
hast
schwere
Schuld
auf
Dich
geladen.
Sieh
noch
einmal
diese
Brosche
Deiner
Mutter
an
und
so
sicher
sie
deine
Mutter
getragen
hat
und
so sicher ich berechtigt war sie zu tragen, so sicher wirst Du und Deine Familie für diese Schuld büßen“.
Ich ging zum Auto, machte das Tor frei und fuhr zurück.
Ich war unglaublich müde und konnte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen.
Ich
weiß
nicht,
wie
ich
zum
Flugplatz
zurück
gekommen
bin.
Wie
eine
Traumwandlerin
habe
ich
mich
für
den nächsten Flug eingecheckt und flog zurück.“
Yvonne
war
sichtlich
erschöpft
durch
ihre
Erzählung.
Sie
griff
nach
dem
Wein
und
leerte
das
Glas
in
einem
Zug. Sie atmete schwer und ihre Erinnerung schien ihr schwer zu schaffen zu machen.
Sie
sah
mich
an
und
sagte,
ich
weiß
es
zwar
immer
noch
nicht,
aber
es
ist
etwas
in
mir,
das
mir
sagt,
dass
ich
es Dir erzählen muss. So höre nun auch den Rest der Geschichte:
„In
Holland
angekommen,
suchte
ich
mir
mit
Jan
eine
Wohnung
im
Heimatdorf
von
Klaas.
Keiner
wusste
wer ich war, aber ein paar Mal wurde ich wegen der Brosche angestarrt.
Ich
wartete,
bis
ich
eines
Tages
hörte,
dass
die
Familie
von
Klaas,
der
inzwischen
wohlhabend
geworden
war,
ihren
berühmten
Sohn
mit
Familie
zum
Besuch
erwartete.
Ich
erfuhr
die
Uhrzeit,
wann
er
erwartet
wurde.
Ich
kleidete
Jan
und
mich
in
unsere
beste
Garderobe
und
ich
ging
mit
ihm
zur
Kirche.
Die
Glocken
läuteten
und
das
Echo
der
Schläge
schien
unnatürlich
lange
in
der
Luft
zu
hängen.
Es
schien
fast,
als
würde
die
Luft
merken,
dass
etwas
Schlimmes
sich
anbahnte
und
unumgänglich
war.
Als
wir
bei
der
Kirche
angekommen
waren,
gingen
wir
hinein.
Jan
fragte
mich:
“Was
machen
wir
hier?“
Ich
sagte
ihm:
“Das
Böse
ist
in
der
Luft,
hier
sind
wir
geschützt
davor
und
es
kann
uns
nichts
anhaben“.
Er
drückte
sich
ängstlich
an
mich,
aber
ich
sagte
beruhigend:
“Wir
sind
sicher,
hab
keine
Angst“.
Wir
saßen
eng
beieinander
in
der
Kirchenbank
und
sagten nichts. Jan spürte das Besondere der Situation.
Plötzlich
hörten
wir
ein
Martinshorn,
und
ich
wusste,
es
ist
geschehen.
Jan
und
ich
gingen
hinaus
und
sahen,
wie
die
Menschen
in
Gruppen
zusammen
standen.
Wir
hörten,
wie
sie
sagten,
es
sei
entsetzlich
und
furchtbar
und
grausam.
Ich
fragte
in
einer
Gruppe,
was
geschehen
sei.
Man
sagte
mir,
Klaas
sei
in
seinem
Auto
von
einer
großen
Erntemaschine
überrollt
worden.
Nur
der
Fahrer
habe
überlebt
und
alle
anderen,
auch
die
junge
Frau
und
der
Junge,
seien
tot.
Da
fasste
ich
an
meine
Brosche
und
musste
laut
weinen.
Alle
sahen
sich
nach
mir um und wunderten sich über meine Reaktion. Jan und ich zogen sofort aus diesem Ort fort.
Seit
der
Zeit
leben
wir
in
Hoorn.
Inzwischen
hatte
ich
Klaas’
Familie
von
dem
anderen
Sohn
von
Klaas
unterrichtet. Sie sahen ihn als einen Erben an und wir haben ein großes Vermögen zur Verfügung.
Und
jetzt
geh
bitte.
Geh
bitte
und
suche
mich
nicht.
Komme
nie
wieder.
Stehe
einfach
auf
und
gehe
hinaus.
Ich
bringe
Unglück.
Du
kennst
jetzt
meine
Geschichte.
Ich
würde
gerne
bei
Dir
bleiben,
aber
es
wäre
nicht
gut. Deshalb geh nun, und ich danke für deine Geduld, mir zuzuhören.“
Yvonne
war
ganz
in
ihren
Sessel
zurück
gesunken.
Ich
erhob
mich
langsam
und
stolperte
aus
dem
Haus
heraus auf die Straße.
Milde Nachtluft und eine kleine Brise vom Hafen wehte mir entgegen.
Yvonne von Hoorn
Yvonne erzählt ihre Geschichte